Die Bayerische Versorgungskammer (BVK) will an der Richard-Strauss-Straße 76 auf dem rund 20 400 Quadratmeter großen, ehemaligen Siemens-Gelände drei Türme bauen – 40, 60 und 115 Meter hoch, mit 11, 16 und 30 Geschossen! Der Wolkenkratzer wäre genau so hoch wie der benachbarte Hypo-Tower. In einem der neuen Bürosilos soll die Zentrale der BVK kompakt untergebracht werden. Der Konzern, der sage und schreibe 72 Milliarden Euro verwaltet, hat knapp 1300 Mitarbeiter, will weiter wachsen, kalkuliert mit einem „deutlichen Anstieg“ um etwa 500 Beschäftigte.
Die Mitglieder des Bezirksausschusses sind ob der Pläne – vom Planungsreferat liegt dazu ein „Eckdatenbeschluss zur beabsichtigten Überplanung“ vor – bestürzt und fassungslos zugleich. Und zwar nicht allein wegen der Höhe, der Baudichte und der zusätzlichen Verkehrsbelastung. Auch wegen der ausschließlich gewerblichen Nutzung. Es soll nämlich keine einzige Wohnung entstehen.
Total verärgert sind die Lokalpolitiker vor allem über die noch ungeklärte künftige Verwendung und „Verwandlung“ der drei bestehenden Gebäude des BVK-Standorts mit rund 34 000 Quadratmeter Nutzfläche beziehungsweise der Grundstücke an der Denninger- und Arabellastraße. Offensichtlich will die BVK dort, am Rand des Denninger Angers, keine Wohnungen gestalten.
Dazu erklärte ein BVK-Vertreter: „Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“ Robert Brannekämper, Vize-Vorsitzender des Bezirksausschusses und CSU-Landtagsabgeordneter, reagierte empört: „Ihr Vorstandsvorsitzender Daniel Just hat mir in Vorgesprächen im März 2017 und im Mai 2018 zugesagt, dass nach dem Umzug in die neue Zentrale in Folge am Denninger Anger Wohnungen entstehen. Wenn die BVK das nicht einlöst, halte ich den Bebauungsplan an. Wohnungen im Anger sind die Grundvoraussetzung für alles Weitere!“ Christiane Hacker (SPD) assistierte Brannekämper: „Wo Jobs entstehen, müssen Firmen auch Wohnungen entstehen lassen.“
Zu einer von Brannekämper im Unterausschuss gegenüber den BVK-Vertretern geforderten eindeutigen Zusage des Konzernchefs zu Wohnungen im Bereich Denninger Anger bis zur Juli-Tagung des Kommunalparlaments kam von Vorstandboss Daniel Just per Mail lediglich eine »Absichtserklärung«, wonach man bereit sei, den Wunsch zu überlegen. „Da hätte ich mir mehr Verbindlichkeit gewünscht, »Bestreben bekunden« und »nennenswerter Wohnanteil« – das ist zu schwammig, wenn auch eine freundliche Ansage.“ Brannekämper forderte eine juristisch eindeutige Zusage zum Wohnungsbau. „Wir wollen am Schluss nicht nur eine Hausmeisterwohnung. Wir wissen ja, wie das läuft. Das Planungsreferat muss sich einschalten.“
Beim Stichpunkt „Verkehrliche Erschließung“ donnerte CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller kritisch: „Es gib schon heute riesige Probleme, immer wieder besteht Verkehrschaos in der Richard-Strauss-Straße.“ Laut Berechnungen wird mit einem zusätzlichen Aufkommen von circa 1950 Kraftfahrzeugen / 24 Stunden kalkuliert. Dies habe laut städtischen Angaben aber „keinen wesentlichen Einfluss auf das Verkehrsgeschehen längs der Richard-Strauss-Straße bzw. benachbarter Knotenpunkte.“ Aber: Der Verkehr verteilt sich nicht auf 24 Stunden. Sondern: „Zwei Stunden morgens und zwei Stunden abends jeweils 1000 Autos mehr – dem können wir nicht zustimmen.
Der Jurist aufgebracht: „Und insgesamt rund 100 000 Quadratmeter Bürofläche ohne eine einzige Wohnung, das geht überhaupt nicht. Die BVK kann uns nicht für dumm verkaufen. Der Stadtrat muss eingreifen.
Dazu muss man wissen: Die Straße, über die der gesamte motorisierte BVK-Individualverkehr erfolgt, weist an der Oberfläche momentan eine Belastung von etwa 17 500 Kfz/24h auf. Im Tunnel sind es etwa 85 500 Kfz/24h. Gleichwohl stellte Finkenzeller klar: „Es muss nachgewiesen werden, wie das erhöhte Autoaufkommen gelöst wird.“
Gemäß Eckdatenbeschluss ist die RS 76 OHG, eine Projektgesellschaft, deren Gesellschafter neun Versorgungswerke sind, die durch die BVK vertreten wird, Eigentümerin des Grundstücks. Dieses ist westlich von der Richard-Strauss-Straße, nördlich an der Denninger Straße vom Forum Bogenhausen, östlich von einem Privatgrundstück sowie dem Denninger Anger und südlich von einer Kleingartenanlage begrenzt.
Derzeit stehen auf dem fast rundum von einem zwei Meter hohen Stahlgitterzaun umgebenen Areal sechs untereinander verbundene zwei- bis sechsgeschossige Einzelbauten mit einer Geschossfläche von rund 29 100 Quadratmeter, entsprechend einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 1,43. Zur Neubebauung heißt es in der Vorlage: „Detaillierte Voruntersuchungen haben ergeben, dass eine Geschossfläche von rund 68 000 Quadratmeter städtebaulich, landschaftsplanerisch und stadtbildverträglich realisiert werden kann, wobei sich die Büronutzung auf rund 63 000 Quadratmeter und rund 5000 Quadratmeter ergänzende Sondernutzflächen verteilt.“ Zum Vergleich dazu die GFZ: rund 3,33. Kurzum: mehr als doppelt so viel Büro-Quadratmeter!
Der einstimmige Beschluss der Lokalpolitiker: „Der Bezirksausschuss fordert von der BVK die Zustimmung und Mitwirkungsbereitschaft durch die Verlagerung der Gewerbenutzungen vom Arabellapark zur Richard-Strauss-Straße auf den dort frei werdenden Gewerbeflächen zeitnah im Arabellapark Mietwohnungen von 50 Prozent der derzeit im BVK-Eigentum befindlichen Flächen zu realisieren. Der Aufstellungsbeschluss, die Durchführung des städtebaulichen Realisierungswettbewerbs und des Eckdatenbeschlusses werden bis dahin nicht weiter verfolgt.“